17November
2016

Aus der Großstadt ins Dorf

Einer der Wächter schaut auf seinen schutzbefohlenen Tempel Kencho-ji (Kamakura)

Von Tokio aus ging es weiter nach Süden und zwar nach Kamakura (50 Minuten Fahrzeit). Dort sind wir erstmalig in einem Hostel untergekommen und zwar im WeBase, welches gerade einmal am 15.9.2016 eröffnet hat. Hingefunden haben wir mit Hilfe einer alten Dame, die uns auf der Straße einfach gefragt hat, ob sie uns hilflos mit Google Maps arbeitenden Rucksacktouristen helfen könne. Die Beschreibung „neue Unterkunft“ reichte aus, dass sie uns fast bis hin gebracht hat.

Das Hostel selbst ist gigantisch. Alles neu, blitzblank und freundliches Personal, das sehr gut Englisch (und auch Französisch) kann. Selbst über den 4er Schlafsaal (wenn man die Gitter als Türen und den großen Spalt oberhalb der Etagenbetten mit einbezieht, dann könnte man sogar von einem 8er Schlafsaal sprechen) gibt es nicht wirklich etwas Negatives zu berichten, außer vielleicht, dass es mit großen Rucksäcken doch etwas eng wird und die leider nicht in die vorhandenen Spinde passen (Fehlkonstruktion…). Wer groß kochen möchte, wird die Gemeinschaftsküche auch als dafür nicht geeignet finden, aber sonst waren wir wirklich beeindruckt.

Kamakura wird meist zum Tagesausflugsziel der Tokioter, da es sehr nah ist und man es gut mit dem Zug erreichen kann. Ein Tag ist allerdings recht knapp bemessen, wenn man sich dann auf der Karte einmal anschaut, was es denn alles für Tempel zu sehen gibt. Nun ja, man muss sich halt welche aussuchen. In unserem Fall hieß das per vom Hostel ausgeliehenem Fahrrad zum Kencho-ji-Tempel. Der ist beeindruckend und hat vor allem einiges an Treppen, wenn man sich denn noch den dazugehörigen Schutzschrein (Hanso-bo) anschauen will. Von dort gehen auch einige Wanderwege los, welche wir allerdings aufgrund der Zeitknappheit nicht gemacht haben. Weiter ging es, weil wir auf dem Hinweg schon daran vorbeigefahren waren, zum Tsurugaoka-Hachimangu-Schrein. Hier war reger Betrieb und es fanden sich, wie schon am Wochenende in Tokio im Meiji-Schrein, einige Kinder und auch Eltern in Kimonos. Man beachte, dass wir am 15.11.2016 in diesem Schrein waren, wo offiziell der 7-5-3 gefeiert wird. Immer wieder schön!

Das Haupttor des Kencho-ji Die Buddhahalle (das Deckengemälde ist erst wenige Jahre alt) Ausblick von der Haupthalle auf das Chinesische Tor (in Gold) Einige der Wächter knapp unterhalb des entsprechenden Schreins

Danach war der gesamte Vormittag auch schon wieder vorbei und wir „mussten“ zurück ins Hostel, da wir uns für eine Teezeremonie eingetragen hatten. Die war auch sehr interessant, da wir gleich zwei verschiedene Sorten Grünen Tee demonstriert bekamen. Matcha kannte jeder von uns, allerdings war mir nicht klar, was man für einen Aufriss daraus machen kann, wo genau auf dem Tablett die Utensilien wann stehen und wie man denn nun sein kleines Putztuch falten muss – beeindruckend kompliziert. Unsere Teemeisterin und ihre Assistentin waren jedoch sehr geduldig mit uns fünf Ahnungslosen.

Jeder von uns bekam ein Teegedeck Unsere Teemeisterin im Kimono (über 100 Jahre alt) ihrer Großmutter, welche ebenfalls Teemeisterin war Die Dame war wirklich klein im Vergleich zu uns und ihrer Assistentin

Nach dem Teetrinken ging es für uns wieder an die frische Luft und zwar dieses Mal zu Fuß. Es stand der Kotokuin-Tempel mit seinem großen Buddha, welcher frei ohne Dach draußen sitzt, auf dem Plan. Man kann sich die Konstruktion übrigens auch von innen anschauen. Wenn ich jetzt schreibe, dass diese Buddhastatue hohl ist, ist das dann Ketzerei? ;)

Der Große Buddha, der geduldig auf die ganzen Touristen schaut

Danach machten wir noch einen Abstecher zum Hasedera-Tempel, welcher auch ein sehr schönes Areal umfasst.

Teil des Hasedera Tempels Ausblick über Kamakura (vom Hasedera Tempel aus)

Theoretisch kann man noch viel mehr machen. Zum einen könnte man mit dem Fahrrad bis nach Enoshima zu anderen Schreinen und zu einer Art Leuchtturm fahren, zum anderen könnte man Surfen oder Stehpaddeln, da der Strand gleich vor der Tür liegt (es gab tatsächlich Leute im Wasser!). Ach ja, in Kamakura gibt es natürlich auch noch gefühlte tausend weitere Tempel (unter anderem mit Bambuswald!). Sprich, man könnte sich noch einige Zeit dort beschäftigen.

Von Kamakura aus ging es weiter nach Hakone (ca. 1,5 Stunden Fahrzeit, leider nicht alles mit Japan Rail, sprich, der Railpass galt nur für einen Teil der Strecke, den Rest mussten wir uns dann mit der Suica durchschlagen und „tatsächlich“ bezahlen). Auch hier heißt es, dass man theoretisch von Tokio aus einen Tagestrip machen könnte. Wenn man wirklich Tourist in der Region (kein einzelner Ort, wie wir irgendwie geglaubt haben…) spielen möchte und alles mitnehmen will, was denn alles angeboten wird, dann ist es praktischer, wenn man eine Nacht in einem der vielen Hotels bleibt. In unserem Fall war das das Hotel Senkai Inn in Hakone-yumoto.

Eine kleine Anekdote gleich zu Beginn: Während wir noch irgendwo am Bahnhof stehen und ich mir mal wieder die Lunge aus dem Hals huste, meine ich zu meinem Bruder, dass wir mir doch einmal Bonbons organisieren müssen. Prompt bietet mir die Japanerin neben mir ein Honigbonbon an. Nein, sie verstand definitiv kein Deutsch, aber der Husten sprach für sich. Sie war auch dann der Meinung, sich noch mit uns unterhalten zu müssen. Eine sehr witzige Angelegenheit, da wir kein Wort verstanden haben und sie auch kein Englisch konnte und uns somit auch nicht verstehen konnte. Ich denke, sie hat erzählt, dass sie immer Bonbons dabei hat und man bei Husten einen Mundschutz tragen sollte. Vielleicht hat sie mir auch gute Besserung gewünscht oder etwas über das Wetter erzählt, so ganz klar ist das nicht. ;)

Da wir am frühen Nachmittag angekommen waren, hatten wir noch Zeit, etwas zu unternehmen. Hier war die Touristeninformation sehr hilfreich. Letztlich haben wir uns für den Hakone Freepass entschieden, mit welchem man für zwei Tage jegliches Transportmittel nutzen kann (Regionalzüge, Busse, Standseilbahn, Seilbahn und sogar das Sightseeing-Schiff auf dem Ashi-See). Der Preis erschien uns am Anfang relativ hoch, wenn man allerdings die ganzen Einzelpreise zusammenrechnet, dann lohnt sich der Pass schon – vorausgesetzt, man will wirklich alles touristenmögliche mitnehmen. Da es noch hell war, sind wir mit dem Bus nach Moto-hakone-ko gefahren (ca. 40 Minuten Fahrzeit). Von dort kann man das eine im Wasser stehende Tori sehen, welches zum Hakone-jinji Schrein gehört und in Reiseprospekten immer mit dem Fuji im Hintergrund abgebildet ist. Den haben wir natürlich nicht gesehen. Ach ja, einer der drei Häfen für das Schiff auf dem Ashi-See ist auch hier. Gemeinerweise kam auch gerade das letzte davon an und spuckte unglaublich viele Touristen aus, die mit den normalen Bussen wieder weg mussten. Damit war die Wartezeit auf einen Bus plötzlich nicht mehr bei wenigen Minuten sondern bei etwa einer Stunde (die Busse fuhren etwa alle 20 Minuten). Nur gut, dass wir noch eine Pizzeria, oder besser einen Italiener, gefunden haben, der uns noch Kaffee verkauft hat und eine Sitzgelegenheit im Warmen hatte, da in dem Nest gegen 17 Uhr einfach mal die Schotten dicht gemacht wurden… sehr gruselig.

Sightseeing-Schiff und Torii in Moto-hakone-ko - theoretisch kann man an guten Tagen wohl den Fuji im Hintergrund sehen

Für den Tag der Abreise von Hakone hatten wir uns vorgenommen, nochmals bis zum Ashi-See zu fahren (genauer: nach Togendai-ko), dieses Mal mit Zug (40 Minuten Fahrzeit), Standseilbahn (10 Minuten Fahrzeit) und Seilbahn (ca. 30 Minuten Fahrzeit). Leider waren wir mit dieser Idee nicht die Einzigen… In Gora (Ende des Zuges und Beginn der Standseilbahn) haben wir dann unser Gepäck eingeschlossen – wir waren ja noch der Meinung, dass wir von Gora aus wieder in die Zivilisation kommen könnten. Böser Fehler, wie wir später feststellen konnten. Sprich, wir durften wieder bis nach Hakone-yumoto zurück und von dort aus weiter… Ein bisschen mehr Planung hätte an dieser Stelle wahrscheinlich nicht geschadet. Wir hätten zumindest unser Gepäck schon dort stationieren können. Nun ja, hinterher ist man immer schlauer.

Aber zurück zur Standseilbahn und Seilbahn. Wir haben die Fahrt durch die unglaublich schöne Herbstnatur in vollen Zügen genossen. Und das im wahrsten Sinne des Wortes. Wir haben in Tokio weniger Sardine gespielt als in Hakone, was einem zu denken geben sollte. Gut, dass die Seilbahn schöne Gondeln hat, die auch nicht überladen werden. Man hat dann also tatsächlich einen Sitzplatz und kann die Aussicht genießen. Witzigerweise muss man mit zwei verschiedenen Seilbahnen fahren, um bis zum Ashi-See zu kommen. Zwischendurch kann man sich dann ein kleines Schwefelgebiet mit einem erst vor einem Jahr entstandenen neuen Krater anschauen. Ach ja, bevor man sich in die Seilbahn wagt, bekommt man noch einen Zettel, der einen darauf hinweist, dass man sich diese „Reise“ nur in gesundem Zustand zumuten sollte. Für alle, die es trotzdem wagen, gibt es kleine feuchte Tücher für den Fall der Fälle, um diese vor Mund und Nase zu halten. Klingt witzig, ist es auch, aber auch ein bisschen peinlich, wenn man es dann braucht. Ich schleppe schon seit mehr als vier Wochen eine Art leichter Bronchitis mit mir herum, welche mal besser, mal schlechter wird. Und beißender Schwefelgeruch ist hier wohl nicht ganz so hilfreich (zu Deutsch: mindestens ein Lungenflügel wollte unbedingt raus).

Tolle Herbstlandschaft - der Grund für die ganzen Touristen Mondlandschaft kurz vor Owakudani (Wechsel der 1. auf die 2. Seilbahn) Am Lake Ashi (ja, ich sehe aus, wie ein Axtmörder mit dem dusseligen Mundschutz...)

Die Ausblicke waren toll. Für einige kurze Momente haben wir sogar den Fuji gesehen. Ein Beweisfoto gibt es nicht, da er sich sehr schnell wieder in den Wolken versteckt hat. :)

Wir haben uns letztlich gegen das Sightseeing-Schiff entschieden, da wir jetzt schon zwei der Häfen gesehen hatten und die Menschenmassen einfach der pure Wahnsinn sind. Erstaunlicherweise finden sich seit Tokio häufiger auch kaukasische Touristen, nicht mehr nur asiatische.

Damit war dann unsere Zeit in Hakone schon wieder zu Ende. Unser nächstes Ziel ist Nagoya.

Ohne Worte (Hasedera Tempel, Kamakura)