20November
2016

Basislager Nagoya

Der Herbst lässt grüßen - auch mit Temperaturen bis fast 20 Grad Celsius

Wie schon im letzten Beitrag angekündigt, ging es von Hakone nach Nagoya (insgesamt ca. 2,5 Stunden Fahrzeit vom Ashi-See aus, von Hakone-yumoto 1,5 Stunden Fahrzeit). Nein, wir hatten die Stadt nicht direkt auf unserer Wunschliste, aber sie stellt eine gute Grundlage für einige Tagesausflüge dar (dieses Mal wirklich!). Unser Hauptgrund war der wohl bekannteste Teil des Nakasendo-Fernwanderweges – der alten Poststraße von Tokio nach Kyoto. Ja, eigentlich wären wir den gern in voller Länge gelaufen, was um die 100 km sind, aber die Organisation dessen sollte man weit im Voraus vornehmen und da wir nicht einmal ansatzweise wussten, wann wir wo sein würden, fiel das ein bisschen ins Wasser. Nun ja, es blieb ja immer noch die Option zumindest einen kleinen Teil davon anzuschauen, genauer die Strecke von Magome nach Tsumago. Wir haben uns also mit dem Zug (50 Minuten Fahrzeit) und dann dem örtlichen Bus (25 Minuten Fahrzeit) auf nach Magome gemacht. Und zum ersten Mal in den letzten zwei Wochen haben wir Deutsche in unserer Nähe gehabt. Sehr witzig.

In Magome (sowie später auch in Tsumago) fanden sich so einige Touristen, die mit Reisebussen einfach dorthin gebracht wurden, um sich vor Ort umschauen zu können. Die konnten wir recht schnell hinter uns lassen, da wir tatsächlich vor hatten, die etwa acht Kilometer nach Tsumago zu wandern. Und ganz plötzlich waren es insgesamt nur noch etwa 8-10 Leute, die uns unterwegs begegnet sind. Der Weg selbst führt zum Teil direkt an der Landstraße entlang, aber auch durch Wald. Unterwegs kommen noch ein oder zwei verschlafene Dörfchen und ein Teehaus (Ichikokutochi Tatebachaya), in welches wir uns in Ermangelung des Japanischen dann doch nicht getraut haben. Einen kleinen Abstecher zu den Wasserfällen Odaki und Medaki kann man auch machen. Die veranschlagten drei Stunden braucht man nur, wenn man hier und da anhält, noch was isst, sich die Souvenirläden anschaut und ähnliches. Sonst ist die Strecke nicht wirklich anstrengend, aber schön. Man kann alle paar hundert Meter auch eine Glocke am Wegesrand läuten – und das bitte schön laut, da es in der Region Bären gibt. Alternativ kann man sich bei den Touristeninformationen auch Glöckchen ausleihen, um die pelzigen Kollegen fern zu halten. Gesehen haben wir keinen, aber ob da wirklich die Glocken eine Rolle gespielt haben?

In Magome Ein wirklich schöner Teil des Ortes (Magome) Eine der Bärenglocken (und Warnschild) Angekommen in Tsumago Die Häuser sind noch beeindruckender als in Magome Eine kleine Seitengasse in Tsumago

In Tsumago sieht es ähnlich aus wie in Magome, aber beide Städtchen haben etwas. Ein paar Snacks kann und sollte man auf die Hand probieren: Gohei Mochi gehört unter anderem dazu. Ach ja, eine alte Dame hat neben ihrem Haus kurz hinter Magome auch getrocknete Süßkartoffelscheiben verkauft. Das war auch sehr lecker.

Von Tsumago ging es dann wieder mit Bus (dieses Mal nur 10 Minuten) und Zug zurück nach Nagoya, wo wir uns noch das Oasis 21 bei Nacht angeschaut haben. Das Oasis 21 ist der Busbahnhof, oder zumindest ein Teil davon, dessen Dach mit einem Wasserbecken obendrauf versehen ist (zur Kühlung). Mit der Beleuchtung sieht das nachts natürlich sehr schick aus, vor allem, wenn man seine Runde auf dem Dach dreht.

Auf dem Dach des Oasis 21

Damit waren unsere geplanten zwei Nächte in Nagoya eigentlich auch schon wieder vorbei. Die große Preisfrage war wie immer, wo es denn dann hingehen sollte. Eine Idee hatten wir, aber die Umsetzung dessen war unmöglich. Es gibt eine Wanderung südöstlich von Kyoto, welche im Marco Polo beschrieben ist und die sehr schön sein soll. Haken an der Sache: Wir scheinen in die Hauptreisesaison für die südlicheren Gefilde Japans gekommen zu sein. Auch die Japaner selbst sind derzeit sehr reisefreudig, weil es darum geht, sich die wirklich tolle Laubfärbung anzuschauen. Der japanische Ahorn lässt sich hier nicht lumpen. Das Ganze macht es für uns Spontanreisende allerdings recht schwierig, da es einige Unterkünfte gibt, die bei den Pilgerstätten liegen und verlangen, dass man seine Anfragen mindesten eine Woche im Voraus stellt. Abgesehen davon sind Wochenenden eine Katastrophe. Die Preise gehen durch die Decke und das egal, ob man in Großstädten oder Dörfern versucht unterzukommen. Wenn das Hilton ausgebucht ist, dann will das schon was heißen, oder?

Dumm gelaufen. Womit wir vor dem nun wirklichen Problem standen: Was nun? In Ermangelung bezahlbarer Unterkünfte wurde es eine Nacht mehr in Nagoya, allerdings im Nagoya Crown Hotel. Als nächstes Tagesausflugsziel wählten wir Ise (1,5 Stunden Fahrzeit, allerdings nicht vollständig mit Japan Rail; man darf noch einen Zusatzbetrag bezahlen, da das Schienennetz einer privaten Bahngesellschaft mitgenutzt wird) aufgrund der dort vorhandenen verhältnismäßig großen Schreinanlage.

Zu Ise muss man wissen, dass dort das Zentrum des Shintoismus ist. In Japan werden zwei Religionen mehr oder weniger nebeneinander gelebt. Für alles im Leben ist der Shintoismus zuständig (man betet für Glück, einen Job, das Bestehen der nächsten Prüfung, Gesundheit etc.), wenn es um den Tod geht, hat der Buddhismus die Hauptrolle.

In Ise wird der Ise Jingu, die Hauptschreinanlage (nochmals unterteilt in Geku – äußerer Schrein und Naiku – innerer Schrein), alle 20 Jahre neu aufgebaut. Und das seit mehr als 1300 Jahren. Die aktuelle Version steht seit 2013. Geku erreicht man zu Fuß vom Bahnhof aus und in meinem Fall kann man (wenn man von der beeindruckend geraüschschluckenden Brückenkonstruktion mal absieht) auch erst einmal etwas enttäuscht von den Schreinen sein. Der Baustil ist „einfach“, hat keine Verzierungen bis auf ein wenig Gold und man kann nicht in die Schreine hineinschauen. Man fühlt sich ein bisschen an ein Wikingerhaus erinnert (könnte an der ähnlichen Bauweise liegen). Da hatten wir schon ganz anderes gesehen. Faszinierend ist allerdings die Masse an Menschen, die sich hindurch wälzt und vor jedem Schrein brav eine Schlange bildet, um dann jedem Schrein etwas zu spenden und kurz zu beten. Gut, wir waren an einem Wochenende da und wir haben schon gelernt, dass dann die Freizeit zum Pilgern genutzt wird.

Einer der Schreine im Geku (äußerer Schrein) Die gesamte Anlage war von der Natur her beeindruckend Im Hintergrund der Hauptschrein (sieht ein bisschen aus wie ein Wikingerdorf, oder?) Reinigungsstelle des vorbeifließenden Flusses

Weiter ging es mit dem Bus zu Naiku, dem inneren Schrein. Das Gelände ist hier noch schöner als schon bei Geku, der Baustil der Schreine ist jedoch exakt derselbe. In einem der Gebäude, wo man sich ausruhen kann, wurde eine Dokumentation abgespielt. Nein, wir haben kein Wort verstanden, aber der Bau der Schreine wurde sehr anschaulich dargestellt. Wer geglaubt hat, dass IKEA Bausätze herstellt, der hat diese historisch gewachsene Bauweise noch nicht gesehen. Sie gleicht einem Steckbaukasten, Nägel werden nur zur Verzierung verwendet. Ein Heidenaufwand! Nach dem Video konnte ich die Schreine dann deutlich besser zu schätzen wissen als vorher.

Direkt an Naiku angrenzend findet sich eine Straße (Oharaimachi-dori), die zum Teil Häuser aus der Edoperiode enthält und auch einige Rekonstruktionen. Hier gibt es viel verschiedenes Essen, Souvenirläden, Restaurants und Menschenmassen. Trotzdem war allein diese Straße die Reise wert.

Die Straße erinnert ein bisschen Magome und Tsumago, ist jedoch deutlich geschäftiger Frauen in Kimonos trifft man auch gelegentlich :)

Danach ging es nur noch zurück nach Nagoya, was sich allerdings als komplizierter herausstellte, als erwartet. Memo: für den Bus zum Bahnhof mindestens 45, wenn nicht sogar 60 Minuten einplanen, da man sonst den Zug verpasst (nein, es ist auch nicht hilfreich, wenn der Busfahrer den Bahnhof zu früh ankündigt und man daher eine Station zu früh aussteigt…).

Am Tag der Abreise aus Nagoya wollten wir noch ins Nagoya City Science Museum, welches uns im Lonely Planet wärmstens empfohlen wurde. Bis hin sind wir auch noch gekommen – dann sind wir allerdings wieder umgedreht, nachdem wir die Horden von Leuten gesehen haben, die sich an den Eintrittsschaltern gedrängt haben. In der Beschreibung heißt es, dass es hauptsächlich auf Kinder ausgelegt sei. Ich schwöre allerdings, dass für das Alter nach oben keine Grenze existiert und die Spannbreite extrem groß war.

Nun ja, damit blieb uns nur noch die Abreise nach Wakayama. Falls sich übrigens einer fragt, was wir immer mit unseren großen Rucksäcken machen: die lassen wir entweder noch in den Hotels oder verstauen sie in den Münzschließfächern an den Bahnhöfen. Gemein ist allerdings, wenn die zarten Japanerinnen die Rucksäcke aus den Räumen für die Gepäckaufbewahrung wieder herausholen sollen. Da wiegt mein Rucksack sicherlich schon fast mehr als die schlanken Persönchen. Abgesehen davon werden wir auf der Straße immer ein bisschen wie Außerirdische angeschaut, wenn wir dort mit unseren Rucksäcken vorbei kommen. Man muss allerdings zugeben, dass wir bisher nur eine handvoll Rucksacktouristen in Japan angetroffen haben. Das scheint hier nicht wirklich Mode zu sein. Die Rollkoffer sind deutlich beliebter. :)

Englisch ist immer wieder eine beeindruckend schwere Sprache - ein bisschen Fantasie ist bei der Interpretation vielerorts gefragt (gesehen auf dem Nakasendo Fernwanderweg bei Magome)