03Dezember
2016

Beobachtungen eines ostasiatischen Volkes

Ein Shinkansen - schon schick, oder? Und zu recht ein Markenzeichen für Japan.

Dieser Beitrag wird ähnlich dem Zusatzbeitrag zu Neuseeland (Post scriptum), sprich, hier wird nicht mehr über die Reise selbst berichtet, sondern eher über die Beobachtungen, die wir während unserer vierwöchigen Reise durch Japan gemacht haben. Man könnte es auch als kleine Studie zu Land und Leuten betrachten. Jetzt allerdings bitte keine Ernsthaftigkeit erwarten!!!

Wie aus dem einen oder anderen Beitrag schon ersichtlich ist, habe ich in meinem Leben mehr als einen Manga (japanischer Comic) gelesen und auch im Schrank stehen, sowie mehrere Animeserien (japanischer Zeichentrickfilm) gesehen. Das gilt übrigens auch für meinen Bruder, der spätestens in Bezug auf Animeserien deutlich mehr Wissen hat als ich. Daher kommen auch die Anmerkungen, die an verschiedenen Stellen vielleicht Fragezeichen aufgeworfen haben. Wer sich mit diesem Teil der japanischen Kultur befasst, der ist als Europäer immer der Meinung, dass die Inhalte völlig überzogen sein müssen. Ich meine damit jetzt nicht die erzählten Geschichten, da diese in etwa so fantastisch sind, wie in jedem durchschnittlichen Buch, sondern die dargestellten Umstände des täglichen Lebens. Man ist der totalen Überzeugung, dass sich Leute so nicht verhalten. Nach vier Wochen auf zwei von vier japanischen Hauptinseln kann ich behaupten: Es ist alles wahr!!!

Nein, im Ernst, es ist sicherlich einiges übertrieben, aber die Vorliebe zu kleinen kastenförmigen Autos beispielsweise nicht. Auch die Tatsache, dass sämtliche im Dienst mit der Öffentlichkeit stehenden Berufsgruppen eine Uniform haben, ist nicht erfunden. Das gilt vom Busfahrer (meist mit schicker Kopfbedeckung) über die Rettungssanitäter (die mit Schutzhelm, Warnwesten, Mundschutz und Handschuhen schon im Auto sitzen) bis hin zu den Personen, die Baustellen absichern oder Autos aus Parkhäusern leiten (blinkende Warnweste, Helm, zwei Leuchtstäbe; ach ja, es sind übrigens immer mindestens zwei Personen!). Auch die Vorliebe mit Mundschutz durch die Gegend zu laufen, ist nicht erfunden. Es gibt die Dinger sogar in Kindergrößen und mit eingebauter „Heizung“ für den Winter. Gut, der eine oder andere trägt den Mundschutz auch nur gegen die Kälte – zusätzlich zum Schal. Nicht zu vergessen, dass es auch Hüllen dafür zu erwerben gibt...

Auch die Schuluniformen sind Realität. Ja, Faltenröcke sind normal, Blusen, Blazer sowie vorgeschriebene Söckchen und Schuhe ebenfalls. Den Jungs geht es da auch nicht besser. Und tatsächlich haben wir mehr als eine Sorte der Schuluniform gesehen, bei der die Röcke definitiv in die Kategorie des Minirocks gehören. Ehrlich! Übrigens werden Schuluniformen auch in der Freizeit getragen, also beispielsweise am Wochenende. Von wegen, man möchte wenigstens dann individuell aussehen.

Ein weiterer Fakt, welcher mir nicht bewusst war, ist, dass eigentlich jede Japanerin mit mindestens zwei Schichten Make-Up herumläuft. In den Damentoiletten gibt es auch immer mehrere Spiegel ohne Waschbecken, damit gegebenenfalls nachgearbeitet werden kann (die auch häufig in Benutzung sind).

Nun ja, andere Länder, andere Sitten.

Eine Sache, mit der ich irgendwie auch nicht gerechnet habe, ist, dass die Japaner sehr schlecht Englisch können, sobald man sich außerhalb der Touristenhochburgen bewegt. Dazu gehören ganz Hokkaido und auch Teile im Norden von Honshu. Da ist man schon im Hotel mit Handgesten unterwegs und spätestens bei der Speisekarte hofft und betet man, dass es eine englische Übersetzung gibt. Google Translate-Varianten sind zumeist völlig ausreichend, aber die Bebilderung der Speisekarten hilft sonst auch ganz gut weiter. Zitate wie „the duck got up on top“ bringen ein Lächeln ins Gesicht, machen aber tatsächlich verständlich, dass auf den Nudeln/dem Reis Ente zu finden sein wird. Ob die da jetzt selbst hoch geklettert ist oder nicht, spielt dabei keine Rolle.

Solche tollen Stilblüten finden sich aber überall - auf Toiletten, in Tempeln und in Hotels. Da ist es übrigens egal, ob man mitten im Touristengebiet ist, oder nicht.

Äh, was jetzt? (Hinweis auf einer Toilette zur Bedienung der Spülung) Fast grammatikalisch richtig, aber nur fast (ebenfalls auf einer Toilette, Hinweis zum Nachfüllen der Toilettenpapierrollen) Ja, in einer Bibliothek sollte Schießen auch verboten sein (eigentlich ging es ums Fotografieren, aber nun ja) Völlig unklar, was der Autor hier sagen wollte (in Tsumago am Feldrand) Irgendwie klingt das, als sollte man sich Füße wachsen lassen... (Nagoya, Oasis 21) Der arme zurückgelassene Eingang... (ebenfalls Kyoto, Nanzen-ji-Tempel)

Ansonsten haben wir natürlich auch unseren Spaß gehabt beim Einkaufen von alltäglichen Dingen wie Zahnpasta, Rasierschaum oder auch Kontaktlinsenlösung. Auch hier ist Google Translate unser Begleiter gewesen, wenn auch auf dem eigenen Smartphone. Meist konnten wir damit herauskriegen, was wir denn eigentlich vor uns hatten (bei der Zahncreme half das Design, denn Sensodyne Pro Schmelz sieht auch auf Japanisch noch recht ähnlich aus). Bei einigen Speisekarten wurde das auch nötig, wenn die Bilder nur unzureichend aufschlussreich waren. Allerdings fragt man sich manchmal, was denn nun wirklich im Japanischen da stand. Die automatische Übersetzung mit dem Smartphone war jedenfalls nicht immer eindeutig, wie die folgenden Stilblüten beweisen:

‚Wer vom Pferd ist gepackt, die auch Schüssel gemocht.‘ - Eine alte japanische Weisheit? (auf einer Speisekarte gesehen)

‚Pizza in Essen zum mitnehmen alle Waren jeder Mund.‘ - Hier wird auf Gleichstellung noch Wert gelegt (ebenfalls auf einer Speisekarte gefunden).

Wir hatten jedenfalls unseren Spaß. Japanisch ist schon eine komplizierte Sprache, aber am Ende von vier Wochen hat man doch ein paar kleine Phrasen im Repertoire. Aber wie wir ja schon wissen, kann Englisch auch so seine Probleme bereiten (sehr zu unserem Vergnügen).

Was uns auch häufig zum Lächeln gebracht hat, ist die Tatsache, dass Japaner die Gabe haben, zu jeder Zeit und egal in welcher Lage einfach einschlafen zu können. Züge, Busse und Metros sind hier gute Studienorte. Gerade noch mit dem Smartphone getippt, schon mit dem Kopf auf der Brust eingeschlafen. Oder der Kopf hängt im 90 Grad-Winkel zur Seite weg oder klebt an der Scheibe. Egal wie, innerhalb von Sekunden können die Japaner einschlafen und wachen gerade so wieder auf, dass das Handy nicht herunter fällt, oder in dem Moment, wo sie aussteigen müssen. Ich würde das auch gern können, aber irgendwie sagt die Anatomie meines Halses, dass sie von der Idee nichts hält. Ich scheine da ein paar Muskeln oder Sehnen zu viel zu haben; oder doch Knochen? Jedenfalls gebe ich zu, dass ich auf diese Fähigkeit ein bisschen neidisch bin. Die Japaner scheinen das jedoch schon sehr früh zu lernen, wie wir an einem kleinen Mädchen im Fahrradsitz feststellen konnten. Beeindruckend.

Faszinierend ist auch die Begeisterung für Baumkuchen. Gut, das wussten wir vorher, aber es dann so vor Ort zu sehen? Selbst im Bordmenü des Shinkansen findet sich diese Süßigkeit. Nicht zu vergessen, dass es sogar ganze Läden dafür gibt… An Stollen sind wir übrigens auch vorbei gelaufen. Die Preise waren irre, aber es stand schön auf Deutsch Stollen oder auch Mandelstollen darauf.

Im Menü des Shinkansen... Baumkuchen, echt jetzt?

Das soll es aber nun zu Japan gewesen sein. Als Fazit lässt sich jedenfalls sagen, dass es ein unglaublich tolles (wenn auch teures) Reiseland ist, in dem man mit einem großen Rucksack verdammt auffällt und immer hoffen muss, dass die armen kleinen Japanerinnen nicht umfallen, wenn sie denn die Rucksäcke einschließen, weil man zu früh im Hotel angekommen ist. Eine wirkliche Hostelkultur gibt es noch nicht und wer sich nicht traut, mit Händen und Füßen zu fuchteln, um sich verständlich zu machen, der ist hier falsch (oder braucht einen Guide). Je weiter nördlich man ist, desto unwahrscheinlicher sind andere kaukasische Touristen und umso faszinierter wird man beobachtet. Das Essen ist fantastisch und auch wer keine Meeresfrüchte oder Fisch mag, kommt durch, selbst wenn viel von der Speisekarte dadurch wegfällt. Japan ist als Reiseland absolut empfehlenswert, auch wenn ein bisschen mehr Vorplanung sicherlich nicht schadet…

Memo an mich selbst für die nächste Reise:
- Sommer auf Hokkaido zum Wandern
- Kimono anziehen
- im Ryokan übernachten (traditionelle Gasthäuser, die, wenn sie gut sind, meist auch deutlich teurer sind)
- eventuell in einem Tempel übernachten (Shukubo)
- Pilgern auf Shikoku (88 Tempel-Route)
- im Februar zu den Schneefesten nach Hokkaido (beispielsweise Sapporo)

Hm, das macht jetzt schon mehr als eine Reise, oder? Nun ja, wer weiß. ;)

Auf Wiedersehen an Japan! (Himeji, Koko-en-Gärten)