23November
2016

Einmal auf den Berg und wieder runter

Spielen wir japanischer Tourist: man fotografiere Blätter :) (Nara)

Der nächste Zwischenstopp (denn so sollte man das nächste Ziel tatsächlich nennen) war Wakayama (2,25 Stunden Fahrzeit). Nein, der ein oder andere Reiseführer hat hierzu keine Empfehlung. Unser nächstes touristisches Ziel ist Koyasan und das liegt in der Mitte vom Nirgendwo. Egal von wo aus, es dauert immer mehrere Stunden um hin zu kommen – und die bezahlbaren Übernachtungen vor Ort waren einfach ausgebucht. Also wurde mit Hilfe der Karte nach einer Möglichkeit etwas näher am Zielort gesucht und voilà! Wakayama fand sich. Als Unterkunft wurde es dieses Mal das Daiwa Roynet Hotel Wakayama, was praktischerweise direkt gegenüber der Burg von Wakayama liegt. Einziger Nachteil: Egal ob vom JR Bahnhof oder vom Nankai Bahnhof, man darf über einen Kilometer laufen…

An dieser Stelle sollte ich erwähnen, dass unser erster Japan Railpass ausläuft (er umfasste 14 Tage). Wir haben noch einen weiteren für eine Woche, aber irgendwie scheinen in der Kansairegion, in die wir uns bewegen und in der wir mindestens eine Woche verbringen werden (Kyoto liegt mitten drin), sehr viele private Bahnlinien zu fahren. Sprich, mit der Japan Rail kommt man meist gar nicht bis in die interessanten Orte. Wir haben daher einen kleinen Zwischenstopp in Osaka eingelegt und haben uns einen Kansai Thru Pass für drei Tage organisiert. Netterweise muss man den nicht an drei direkt aufeinander folgenden Tagen nutzen. Der Pass lohnt sich allerdings nur, wenn man wirklich vor hat, Distanzen zurückzulegen (ist recht teuer). Wer nur im Stadtgebiet von Osaka-Kyoto-Kobe unterwegs sein will, braucht einen anderen Pass. Darauf weisen einen die Mitarbeiter allerdings auch hin. Sehr nett! Ach ja, irgendwelche Bonusmarken bekommt man auch, mit welchen die Eintritte für bestimmte touristische Orte billiger sind (eine Übersicht bekommt man auch gleich mit).

Aber zurück zu Wakayama. Da wir direkt gegenüber der Burg untergekommen waren, haben wir dieser dann auch einen Besuch abgestattet trotz der Tatsache, dass sie historisch nicht besonders wertvoll ist. Bis auf eine einzige Ausnahme (ein Tor) ist auch hier alles durch Luftangriffe im zweiten Weltkrieg zerstört worden. Der aktuelle Bau ist Beton, macht aber von außen eine gute Figur. Auch der Ausblick von oben ist sehr schick.

Blick aus unserem Hotelzimmer auf die Burg von Wakayama Teil der Befestigungsanlage Blick über die Dächer

Am nächsten Tag ging es für unsere Verhältnisse recht früh los. Koyasan stand auf dem Plan. Leider hatten wir am Abend feststellen müssen, dass wir fast 2,5 Stunden im Zug verbringen würden, aber nun ja. Ich kann jedenfalls behaupten, dass sich allein die Fahrt gelohnt hat, da die Strecke wunderschön ist – von der Natur und auch von den Dörfern her. Es ist sowieso erstaunlich, wie sich die Städtchen verändern, je weiter wir nach Süden und jetzt auch Westen kommen. Die traditionelle Bauweise der Häuser, die man aus Animes und Mangas kennt, gibt es tatsächlich und das nicht gerade selten. Abgesehen davon hat sich so einiges bestätigt, was ich immer für völlig übertrieben gehalten habe. Schuluniformen mit Minirock gehören dazu (natürlich nicht immer).

Koyasan (heißt soviel wie Berg Koya) an sich ist beeindruckend. Ich meine damit nicht die Lage (quietschend mit dem Zug um die Kurven und zum Schluss mit der Standseilbahn hinauf), sondern die Tatsache, dass man den Eindruck hat, in einem Museumsdorf zu sein. Gut, es ist ein großes Dorf und Bus fahren sicherlich an der ein oder anderen Stelle sinnvoll, aber so ziemlich alle Gebäude sind toll. Geschwungene Dächer, Schiebetüren und Fenster, Tatamimatten überall, schöne Gärten und die unzähligen Tempel sollte man nicht vergessen. Was macht man dort? Tja, wer ohne Plan kommt, hat eventuell das Glück wie wir und bekommt die entsprechenden Tipps für interessante Dinge von einem der Mitarbeiter des Busbahnhofes. :)

Wir haben uns also Okunoin mit dem dazugehörigen riesigen Friedhof angeschaut. Faszinierend ist die Tatsache, dass von Priestern, Kaisern bis hin zu hochrangigen Mitarbeitern von Nissan, Panasonic, Komatsu oder Militärs dort alle beerdigt sind. Für Japaner ist es ein kleines Mekka, als nicht Schriftzeichenkundiger braucht man sicherlich einen Guide, der einem erklärt, wer wo liegt und warum derjenige sehr wichtig war. Beeindruckend ist auch das Mausoleum von Kobo Daishi, dem Begründer des Shingon-Buddhismus in Japan (es gibt unzählige verschiedene Formen des Buddhismus). Die gesamte Anlage ist voll mit über 20.000 Laternen der unterschiedlichsten Größen. Einige davon sind an die 1.000 Jahre alt (sehr wenige), viele sind in den letzten Jahren dazu gekommen (schätzungsweise als Spenden). Leider durfte man nicht fotografieren.

Auf dem Friedhof Sehr alte Mausoleen Wenn man gut zu Fuß ist, dann kann man den langen Weg zurück zur Straße nehmen (hat deutlich weniger Touristen)

Die nächsten Ziele waren der Kongobuji-Tempel und der Danjo Garan-Komplex. Beides sind sehr schöne Anlagen.

Auf dem Gelände des Kongobuji-Tempels Teil des Zengartens (Kongobuji-Tempel) Auf dem Gelände des Danjo Garan-Komplexes Ich mag Laternen (Danjo Garan-Komplex) Teil des Danjo Garan-Komplexes

Die meisten Leute werden eine der Tempelunterkünfte (auch Shukubo genannt) in Koyasan nutzen. Es gibt eine entsprechende Webseite, die sage und schreibe 52 der über 100 Tempel umfasst. Das sind alle, die auch tatsächlich eine Bettstatt anbieten. Das heißt allerdings zum Teil in großen Räumen schlafen mit so einigen anderen Personen. Manchmal gibt es wohl auch sehr kleine Tempel mit schicken kleinen Räumen für wenige Personen. Weiterhin gehört das traditionelle Essen der buddhistischen Mönche dazu, was schätzungsweise ein Traum für Vegetarier sein dürfte – sonst ist das in Japan eher etwas schwierig, habe ich so den Eindruck. Nun ja, um eine Tempelunterkunft zu buchen, sollte man meist mindestens eine Woche vorher Bescheid geben – was, wie immer, bei uns nicht möglich war. Beim nächsten Mal vielleicht.

Noch am selben Tag ging es weiter nach Nara (2,5 Stunden Fahrzeit). Für die nächsten zwei Nächte hatten wir das People‘s Inn Hanakomichi als Unterkunft. Nara ist, wie Koyasan, ein Mekka, wenn es um Tempel geht. Wir haben uns einfach an den Routenvorschlag im Lonely Planet gehalten – wie schätzungsweise alle anderen auch, die mit exakt dem selben Buch in der Hand unterwegs waren. ;)

Los ging es mit Isui-en Garden, einem wirklich schönen (wenn auch teuren) Garten, der als Teegarten begonnen hat. Tee kann man auch immer noch dort trinken, wenn man will. Viel toller ist die Tatsache, dass mit sogenannter entliehener Landschaft gearbeitet wurde. Zu Deutsch heißt das, dass man den Eindruck hat, dass man vom Garten aus in diesem speziellen Fall bis zum Nandai-mon-Tor des Todai-ji-Tempels laufen kann oder einen Ausflug in die dahinter gelegenen Berge machen kann. Das geht natürlich nicht – da sind Zäune, Straßen, Tempel und anderes mehr dazwischen. Aber die Optik macht es möglich.

Eines der Teehäuser Entliehene Landschaft: Das Gebäude im Hintergrund sowie die Berge sind nicht durch den Garten zu erreichen

Danach ging es weiter zum Nandai-mon-Tor und anschließend zum Todai-ji-Tempel. Die Buddhahalle, welche zum Tempel gehört, ist das größte hölzerne Gebäude der Welt und enthält eine der größten Bronzestatuen der Welt. Ich kann bestätigen, dass beides beeindruckend ist. Aber insgesamt lohnt ein Besuch, auch für „Kleinigkeiten“: wenn man durch ein Loch in einer der Säulen passt, dann soll man Erleuchtung erlangen. Wenn das so ist, dann können Robert und ich jetzt behaupten, dass wir erleuchtet werden (Kinder machen daraus übrigens einen regelrechten Sport). Was einem keiner verrät, ist welche Art der Erleuchtung denn gemeint ist. Es ist jedenfalls sehr unterhaltsam zuzuschauen, wie die Leute Versuche starten und der eine oder andere Herr aufgrund seiner Schulterbreite oder seines Bauchumfanges auch scheitert.

Der Todai-ji-Tempel Seltsame Figuren direkt davor Das Loch in der Säule... ...um Erleuchtung zu erhalten (mal schauen, ob es klappt ;) )

Als nächstes standen das Todai-ji-Museum und Nigatsu sowie Sangatsu auf dem Plan. Die letzten beiden Anlagen sind sehr schön gelegen und gerade Nigatsu ermöglicht einem eine tolle Aussicht über Nara. Weiter ging es zu Kasuga Taisha, wo es (wie schon in Koyasan) viele Laternen zu sehen gibt. Viel eindrucksvoller waren allerdings die ganzen Säulenlaternen aus Stein. Den Abschluss bildete die Kofuku-ji-Pagode und das umliegende Gelände. Insgesamt war das ein tagesfüllendes Programm, aber sehr schön. Auch die Massen an Touristen verteilen sich sehr schön auf dem Gelände, sodass man nur selten das Gefühl hat, man tritt sich tot.

Ausblick über Nara (von Nigatsu aus) Die Steinlaternen von Kasuga Taisha Kofuku-ji-Pagode Nahe der Pagode (achteckiger Tempel) Und so wird in Japan restauriert: erst einmal eine große Schutzhalle ringsherum (ebenfalls auf dem Gelände der Pagode)

Was man zum gesamten Gelände wissen sollte, ist, dass Rehe dort frei herumlaufen und auch gefüttert werden dürfen (nur mit den dafür vorgesehenen Keksen). Einige der etwa 1.200 Tiere sind sehr zutraulich, andere interessiert die Faszination der Touristen gar nicht. Da wird dann schon mal aus dem Selbstportrait mit Reh herausgelaufen oder die Karte für Sehenswürdigkeiten genüsslich angekaut. Kinder haben übrigens einen deutlich größeren Respekt vor den Tieren und hauen lieber mal schreiend ab, wenn diese zu aufdringlich werden.

Erstkontakt mit den Vierbeinern Die sehen so harmlos aus (mit Fotobomber!!!) Aber die können auch ganz anders

Den Abschluss des Tages bildete das Abendessen im Teppanyaki-Restaurant Okaru. Dank gewisser Mangas (Ranma ½) kennen mein Bruder und ich Okonomiyaki – zumindest vom Begriff her. Es handelt sich dabei um einen mehrere Zentimeter dicken Fladen aus allen möglichen Zutaten, die nicht unbedingt alle gemischt werden. Google hat uns dann verraten, dass die Region Kansai hierfür berühmt sein soll, allerdings hatten wir bis dato kein einziges Restaurant gefunden. Im Okaru gab es allerdings fast nichts anderes. Das Essen wird direkt auf der eigenen Heizplatte im Tisch zubereitet und schmeckt ausgezeichnet. Wer keinen Fisch isst, kann diesen auch vermeiden. Nur zu empfehlen!!!

Alle Zutaten (die Dame war fix beim Vermischen!!!) Modanyaki: untere Etage - Gemisch, dann Nudeln, dann obere Etage - Gemisch Okonomiyaki: Gemisch, dann angebratene Kartoffeln, später noch Käse Anschnitt!!! Ohne Worte (Essen!!!)

Eine kleine Episode noch am Rande: Da ich seit mittlerweile vier Wochen immer wieder Husten habe und mein Antibiotikum keine Wirkung gezeigt hat (sollte ich das jetzt wirklich noch Bronchitis nennen?), habe ich beschlossen, dass wir es jetzt auf konventionelle japanische Weise probieren: Wie empfohlen, in den Tempeln immer schön den Weihrauch einatmen (sprich: sich beweihräuchern lassen ;) ), da das helfen soll, und einen Talisman im Tempel kaufen (meiner soll beim Gesundwerden helfen und stammt aus dem Todai-ji). Zu diesen ganzen Sachen wollte ich, neben meinen schon vorhandenen Bonbons, auch gern noch einen Hustenlöser. Das Wort scheint es im Japanischen mit dieser Bedeutung allerdings nicht zu geben… In der Apotheke sind wir jedenfalls vorerst nicht sehr weit gekommen. Eine weitere Kundin sprach jedoch sehr gut Englisch und hat dann freundlicherweise für uns gedolmetscht. Total genial! Ich habe jetzt Hustenlöser und versuche mein Glück. Alles zusammen muss ja doch irgendwann mal helfen, oder nicht? :)

P.S.: Am 22.11.16 um 5:59 Uhr Ortszeit kam es vor der Küste von Fukushima zu einem Erdbeben mit der Stärke 7,3 auf der nach oben offenen Richterskala sowie noch mehreren unterschiedlich starken Nachbeben in den letzten Tagen. Wir können beruhigt sagen, dass wir nichts mitbekommen haben, da wir uns mittlerweile westlich von Tokio befinden und Fukushima nördlich von Tokio liegt. Trotz allem lesen wir immer wieder die Nachrichten. In den Tempeln und auch an einigen Verkaufsständen stehen mittlerweile Spendenboxen für die Betroffenen.
Vielen Dank an alle, die an uns gedacht haben!

Ist das jetzt ein Drive-In-Schrein??? (gesehen in Wakayama)